Laufclub in Wolfenbüttel

Die Bestzeit erreichen – oder die Frage, ob Kopf oder Beine über Erfolg und Misserfolg entscheiden!

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KLAUS KOMMENTIERT – DIE LAUF-KOLUMNE
Die Bestzeit erreichen – oder die Frage, ob Kopf oder Beine über Erfolg und Misserfolg entscheiden!
(ka) – Der Halbmarathon in Hannover steht an. Eine schnelle Strecke, wie man so gerne sagt. Die richtige  Strecke, um eine neue Bestzeit zu erreichen. Genau das ist mein Ziel für dieses Rennen. Nach einer dreimonatigen Zwangspause im Herbst war das noch gar nicht auf meinem ZieleZettel, aber die unverhofft gute Zeit in Berlin von 1:27:00 gibt mir keine Wahl. In Hannover ist die Bestzeit Pflicht, also
schneller als 1:25:48. Das sagt zumindest mein Kopf. Meine Beine, die nach Berlin fast zwei Wochen lang die Treppe lieber rückwärts als vorwärts runter gegangen wären, wurden nicht gefragt. Nun gut. Die Vorbereitung hat gestimmt, auch die 3.000er Intervalle geben mir Gefühl, es kann gar nichts schief gehen. Der Kopf ist sich sicher – es gibt keinen Grund zu zweifeln.
Am Morgen des Rennens fängt der Kopf dann plötzlich an, nervös zu werden. Ist vielleicht doch etwas zu warm heute, oder eher zu kalt? Und hoffentlich kein Wind. Wind geht gar nicht. Meine Beine sind total locker, haben gut geschlafen und wollen gerne rennen – aber wieder werden sie nicht gefragt. Vor dem Start läuft alles reibungslos, im Startblock steigt die Nervosität und mein Kopf spielt mir schon mal vor, wie ich das Rennen plane: etwas schneller als sonst angehen, bestenfalls einer Gruppe im gleichen Tempo anschließen und ab Kilometer 17 den Schweinehund überwinden. Klingt nach einem super Plan, aber keiner sagt mir, dass Kopf und Schweinehund ein und derselbe sind.
Die erste Hälfte der Distanz läuft im Grunde gut, aber mein Kopf hört nicht auf, zu zweifeln. Kann ich dieses Tempo halten? Ist die Gruppe vielleicht doch zu schnell? Und war da nicht gerade ein Windhauch zu spüren? Wind geht ja bekanntlich gar nicht. Die Strecke motiviert, es sind viele Besucher am Straßenrand und ich sollte den Lauf einfach genießen. Das fällt mir immer schwerer, je länger die Strecke dauert. Nach 15 km bin ich immer noch voll auf Kurs, der Puls stimmt und die Beine sind gut drauf. Die Beine erfüllen ihren Auftrag, ich sollte frohen Mutes weiterlaufen. Kein Grund
zur Freude, mahnt mein Kopf, jetzt kommt der schwierigste Teil, hier bist du noch immer eingebrochen.
Und tatsächlich: es kommt wie es kommen musste bzw. wie es mein nörgelnder Kopf vorhergesagt hat. Es schaue nun schon alle 250 m auf die Uhr, doch die Kilometer wollen einfach nicht schneller schwinden. Es sind immer noch 4 Kilometer bis zu Ziel. Ich erinnere mich an einen Psychologen, der in einem Vortrag einmal gesagt hat, man solle sich vorstellen, um meinen Bauch ist ein Gummiband gespannt, dessen anderes Ende im Ziel befestigt ist. Ich werde also praktisch in Richtung Ziel gezogen. Nette Idee, aber so leicht überliste ich meinen Kopf nicht.
Kurz vor dem Ziel gewinnt mein Kopf dann wieder seinen Optimismus zurück. Die Bestzeit kann gar nicht mehr schief gehen. Der Blick auf die Uhr verspricht sogar eine Zeit von 1:24. Meine Beine signalisieren mir jedoch, dass sie langsam am Ende sind, aber der Kopf ignoriert diese Jammerlappen: Weiter
jetzt, stellt euch nicht so an. Schließlich geht es um die Bestzeit. Dumm nur, dass mein Kopf erst jetzt auf Motivationsmodus geht und bei all den Bedenken vorher vergessen hat, mir mitzuteilen, dass meine Laufuhr 200 m irgendwo unterwegs unterschlagen hat. Als meine Uhr 21,1 km anzeigt, ist die
Ziellinie noch nicht erreicht. Das erste Mal in diesem Lauf sind es die Beine, die Bedenken haben und jenseits der Belastungsgrenze im roten Bereich einen Fuß vor den anderen setzen. Die Waden sind hart, die Oberschenkel brennen und eigentlich wollen die Beine nur noch stehen bleiben. Die letzten 100 m
scheinen unendlich zu sein: Der Kopf treibt mich an, meine Beine sind total sauer, im doppelten Sinne. Aber es reicht: ich erreiche das Ziel in 1:25:42 – Bestzeit. Nach kurzer Verschnaufpause realisiere ich, dass ich es geschafft habe. Unglaublich. Ich freue mich, bin erschöpft und höre meinen Kopf sagen:
Im Grunde war es doch klar, dass ich die Bestzeit erreiche. Top-Vorbereitung, Super Wetter – kein Wind, das konnte nicht schief gehen. Was für eine Arroganz: Meine Beine sehen das ganze etwas anders. Immerhin mussten sie die ganze Arbeit leisten, sich trotz Bedenken und Negativgedanken des Kopfes durchsetzen und das Tempo halten. Das war eine große Leistung, die jetzt vom Kopf nicht ausreichend gewürdigt wird.
Am Ende hat alles so funktioniert wie erhofft. Aber trotzdem überlege ich mir, warum Beine und Kopf nicht in Einklang zu bringen sind. Vielleicht müssen sich beide Parteien mal an einen Tisch setzen und das ausdiskutieren. Vielleicht ist dann sogar eine 1.24. beim nächsten Halbmarathon drin.

Mit sportlichen Grüßen
Läufer Klaus

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